Behandlungsformen

Ambulante Behandlung

Karin E., Betroffene

Für meine Depressionen schämte ich mich. Mit aller Kraft versuchte ich, meine Krankheit vor meiner Arbeitswelt zu verbergen. Mit sehr viel Energie ist es mir bis heute gelungen, meine Arbeit und Aufgaben zu erfüllen. Ich funktioniere so, wie es meine Umwelt von mir erwartet.

Mein Lebensweg war nicht einfach. Oft dachte ich daran, diesen Weg selbst zu beenden.

Vor 12 Jahren begab ich mich in ambulante Behandlung. Wenn das Wort Klinik viel, überkam mich Panik. Nein, nur das nicht!!! Zu oft hörte ich Leute abschätzig über seelisch, psychisch Kranke reden. In der heutigen Zeit wird der seelisch Kranke immer noch oft wie ein Aussätziger behandelt. Dies ist der Grund, weshalb ich mich mit aller Kraft gegen eine Behandlung in einer Klinik wehrte.

Seit 12 Jahren gehe ich meinen Lebensweg mit Begleitung. Acht Jahre lang war ich bei einem Psychiater, mit dem ich nicht weiter kam. Er unterbrach öfters unseren Weg und lange Pausen folgten. Ich konnte zu ihm kein Vertrauen aufbauen, was aber bei einer ambulanten Behandlung das Wichtigste ist.

Vor 4 Jahren wechselte ich deshalb zu einer Psychologin, und schnell merkte ich, dass dies die richtige Begleiterin ist. Sie unterstützt und berät mich, wenn der Weg steil und steinig ist oder sich Felsblöcke auf meinem Weg erheben.


Therapiesitzung

Die 50 Minuten, in denen ich einfach ich sein kann. Mich nicht verstellen muss. Meine Ängste, Zweifel, Wünsche, Wut, Trauer, Freude, Verzweiflung usw. Platz haben. 50 Minuten, die extrem schmerzhaft sein können beim Aufarbeiten von Vergangenem. Akzeptieren von Rückschritten und Rückfällen. 50 Minuten, in denen ich viel über mich und mein Verhalten erfahre. In denen ich beraten werde. Lösungen gesucht werden. Ich Mut und Hoffnung schöpfe.


Eine verdeckte Behandlung

Die ambulante Behandlung mache ich möglichst geheim. Meine Eltern, zwei Schwestern und mein Freund wissen, dass ich in eine Psychotherapie gehe. Die Eltern waren froh, dass ich die ambulante Behandlung wählte, weil mein Vater einen angesehenen Beruf ausübt. Sie wollten nicht, dass es an die Öffentlichkeit kommt. Meine Zwillingsschwester wurde in einer Klinik und ambulant behandelt. Sie war froh, dass ich Hilfe annahm, ja sie riet mir dazu. Die ältere Schwester ignorierte die ganzen Begebenheiten und wandte sich ab. Mein Freund war und ist auch heute noch negativ eingestellt, obwohl ich mich sehr zum Positiven verändert habe. Ich mache die Therapie für mich und nur für mich. Ich mag mit ihm nicht darüber sprechen, und ihm ist es recht so.


Verlauf

Ich erlebte die Zeit als Stress pur!! Aber mein Dickkopf und mein Wille ermöglichten mir die Behandlung. Einmal in der Woche ging ich in die Therapie. Sonst arbeitete ich 100% im Beratungsverkauf auf dem Gesundheitssektor. Es kostete mich extrem viel Energie, den ganzen Tag freundlich und nett aufzutreten, mit all meinen Problemen im Kopf. Oft war ich körperlich am Anschlag, aber ich kämpfte. Zur Unterstützung nahm ich ein Antidepressivum. Es half mir, meine innere Unruhe zu bändigen. Anfangs wehrte ich mich gegen das Medikament, musste mir dann aber eingestehen, dass ich sonst Mühe bei der Arbeit bekomme. Da ich ja alles tat, um nicht in die Klinik zu kommen, oder dass es jemand merkte, dass ich depressiv bin, schluckte ich mit ein wenig Widerwillen die Tabletten.

Seit vier Jahren lebe ich nun so, und es stimmt für mich. Ich habe Fortschritte gemacht.


Fortschritte sind für mich...

Ich akzeptiere meinen Körper und meine Person mehr.
Ich habe gelernt, mich etwas zu mögen,
mir etwas Gutes zu tun und ab und zu eine Freude zu gönnen,
mich mehr abgrenzen zu können.
Ich wehre mich mehr.
Rückfälle zu akzeptieren.
Depressionen auszuhalten.
Trauer zuzulassen.


Zusammenfassung

Für mich stimmt die ambulante Behandlung. Sie ist sehr streng und dauert länger, aber sie ermöglicht einem in der Gesellschaft zu leben. Das Wichtigste dabei ist, dass die Beziehung zum Therapeuten stimmt... dass ein tiefes Vertrauen da ist.


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