Selbsthilfe

Meine Erinnerungen und Erfahrungen mit Tanz- und Ausdruckstherapie

Eva H., Betroffene

Depression - Isolationshaft im eigenen Körper. Innen- und Aussenwelt passen nicht mehr richtig zusammen. Neue Erfahrungen können nicht voll aufgenommen werden. So bleibt nur die Orientierung an Erinnerungen, wie die Welt früher war, und was damals funktionierte. Am Leben im Hier und Jetzt teilzunehmen ist eine ständige Kraftprobe. Im Privatleben herrscht oft schon gähnende Leere, während das Funktionieren im Beruf noch erstaunlich gut geht.

Jetzt bin ich draussen. Einfach froh, dass ich noch eine Chance bekam zu leben, ohne ständig gegen innere Lähmung und Sprachlosigkeit anzukämpfen.

Es war vielleicht ein Glücksfall, dass ich vor über 20 Jahren in Kalifornien mit Tanz- und Ausdruckstherapie in Kontakt kam zu einer Zeit, in der diese Therapieformen in der Schweiz noch weitgehend unbekannt waren.

Ich konnte mir durch meine Bilder, Bewegungen und assoziativen Texte in einem geschützten Rahmen begegnen. Dies war immer wieder wie eine lebensrettende Infusion. Ein Faden zwischen meiner Innen- und Aussenwelt konnte gesponnen werden.

Etwas in mir funktionierte und war in Kontakt mit etwas essentiell Lebendigem, auch wenn ich den zivilisierten Alltag gelegentlich kaum bewältigen konnte (Was ich auch vor mir selber zu verstecken versuchte). Ich habe gelernt, in mich hineinzuhören, zu spüren, mich mit freundlicher Neugier zu beobachten. Irgendwo in mir entdeckte ich eine wundervolle Welt, ein Leben voller Zauber. Manchmal einfach eine kleine Insel in einem stürmischen Meer. Diese Momente von „Ich bin lebendig und nehme am Leben teil“ waren kostbar. Ich hielt mich daran fest, so gut es ging. Eine Notration Lebendigkeit.

Die Therapeutin war die Hüterin des sicheren Raumes. Sie war da, sie war eine Zeugin, sie teilte mit mir ein Zipfelchen meiner seltsamen Innenwelt, ohne dass ich mich abgrenzen, verteidigen oder rechtfertigen musste. Tückisch wurde auf die Dauer eine subtile innere Zensur. Ich wollte gut sein, wenigstens in der Therapie ein wertvoller Mensch sein. So entdeckte ich die untergründigen Bewertungen meiner Therapeutin und ihres Therapiekonzeptes. „Schwarz ist okay, wenn es sich in etwas Helles, Farbiges verwandelt“ – „Schwarz auf Dauer ist Ausdruck dafür, dass ich es wiedereinmal nicht schaffte, etwas falsch machte, einmal mehr einen Teil von mir versteckte und mich dafür schämte.“ So einfach ist es auch hier, im Sumpf zu landen.

Ich habe ausgedehnte Wanderschaften durch den Therapie-Dschungel hinter mir. Besuchte Psychiater, die für und gegen Medikamente waren, verschiedenste Psychotherapeuten vom nüchternen Verhaltenstherapeuten bis zum unkonventionellen Heilanbieter, Körpertherapeuten bis zu Geistheilern. Immer wieder aufrappeln in der Hoffnung, das zu finden, was mir aus meiner mühsamen Situation heraushilft.

Was schlussendlich geholfen hat, lässt sich rückblickend nicht sagen. Schade, es liesse sich mancher therapeutische Leerlauf verhindern. Hinderlich waren zu enge Therapiekonzepte und Weltbilder der Therapeuten. Das Helle ist nicht das Ziel. Heilsam ist die Kunst, eine elastische, lebendige Dynamik zwischen Hell und Dunkel zu unterstützen. Ich hoffe, dass in Zukunft das vorhandene Wissen unter Ärzten, Psychiatern, Therapeuten und Heilern konstruktiv zusammengelegt wird, und dass weniger Grabenkämpfe und Glaubenskriege darüber geführt werden, was die „richtige“ Therapie ist.

Mein Tanz und meine Bilder sind meine treusten, verlässlichsten Freunde. Sie sind auch Symbolsprache, sehr direkt und doch verschlüsselt – eine andere Sprache als die des logischen Verstandes. Bewegung und Bild spiegeln mir präzise, wo ich mit meinem Leben stehe, welche Veränderungen stattfinden, wo und wie ich mich überhaupt entwickeln kann. Eine verlässliche Leitplanke – solange ich ihnen ohne Zensur und Druck begegnen kann. Das gibt mir immer wieder Vertrauen ins Leben.


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